Das hessische Projekt „KogEx Hessen – Kompetenz gegen Extremismus in Justizvollzug und Bewährungshilfe“ ist ein Verbundprojekt der Träger Violence Prevention Network gGmbH, St. Elisabeth-Verein e. V./seed und Freie Künste e. V. Das seit acht Jahren laufende Projekt umfasst ein breitgefächertes Angebot, das sich sowohl an radikalisierungsgefährdete oder radikalisierte Menschen und deren Angehörige als auch an Fachkräfte im Justizkontext richtet. Dazu gehören niedrigschwellige Maßnahmen politischer, kultureller und medialer Bildung, Anti-Gewalt-Trainings, Distanzierungs- und Ausstiegsbegleitung sowie Umfeldberatung, aber auch Fortbildungen und fallbezogene Coachings.
Die Arbeit mit Fachkräften erfordert flexible Angebotsformate; angepasst an das jeweilige individuelle Berufs- und Aufgabenfeld: Bedienstete in Justizvollzugsanstalten verfügen über andere Bedarfe an Unterstützungsangeboten als beispielsweise Sozialarbeitende in der Bewährungshilfe. Mit der Berufsgruppe Richter*innen und Staatsanwält*innen arbeitet Violence Prevention Network in Hessen seit Jahren mit dem folgend dargestellten Ansatz:
Ziele und Inhalte der Fortbildung
Der Vollzug des Strafrechts hat, neben der Abgeltung von Schuld durch Strafe, auch das Ziel, bessernd auf unerwünschte Verhaltensweisen einzuwirken. Er verfolgt damit den Anspruch auf Resozialisierung von Täter*innen. Wir werden als außenstehende professionelle Helfende beauftragt, die gesellschaftliche Reintegration von Betroffenen zu unterstützen. In diesem Kontext unterstehen wir einer Berichtspflicht, haben jedoch keine Kontroll- oder Sanktionsbefugnisse.
Richter*innen und Staatsanwält*innen blicken häufig gemäß ihrer Profession und ihres Auftrags der Strafverfolgung auf unsere Arbeit – verbunden mit der Frage, ob wir dieser überhaupt zuträglich sein können. Bei der Umsetzung einer Fortbildung für diese Berufsgruppe liegt unser Schwerpunkt deshalb darauf, die unterschiedlichen Zielstellungen und Aufträge zu betrachten, unseren Arbeitsansatz und unsere Vorgehensweise darzulegen – unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Perspektive. Ziel des Formats ist es, Verständnis gegenüber den jeweiligen Professionen zu fördern und etwaigem Misstrauen entgegenzuwirken.
Ablauf einer durchgeführten Fortbildungsveranstaltung
Nachdem ein kurzer Einblick zum Themenfeld Salafismus und Radikalisierung skizziert wurde, legen wir den Fokus gemäß unserer Zielsetzung im weiteren Verlauf auf die Frage, was gelingende Faktoren in der Distanzierungsarbeit sind und wie diese in der konkreten Fallarbeit aussehen können.
Eine uns häufig gestellte Frage von Richter*innen bezüglich unserer konkreten Fallarbeit ist, wieso die Bearbeitung ideologischer Themen keinen alleinigen bzw. hauptsächlichen Fokus darstellt. Hinwendungs- bzw. Radikalisierungsprozesse verstehen wir als eine Form der Lösungsstrategie auf zu bewältigende Lebenssituationen der jeweiligen Klient*innen. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, den Fortbildungsteilnehmenden aufzuzeigen, dass die Begleitung der Klient*innen in der Beratung auf einer bedürfnisorientierten sowie pragmatischen Ebene (z. B. Unterstützungssysteme, (Wieder-)Eingliederung in Beruf- und Bildungssystem, Hobbies/Freizeitaktivitäten etc.) eine wichtige Rolle spielt und ein entscheidender Faktor gelingender Distanzierungsarbeit darstellt. Gleichzeitig gilt der Aufbau von Vertrauen in der Arbeitsbeziehung mit den Klient*innen als elementarer Punkt, was sich auch in unserer langjährigen Beratungsarbeit widerspiegelt. Wir begegnen dabei immer wieder dem Kritikpunkt, dass wir vor der Verurteilung unserer Klient*innen keine Tataufarbeitung machen. Aufgrund des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts vor Gericht würde dies ein enormes Risiko mit sich führen, das zuvor erarbeitete Vertrauen zu beschädigen oder gar zu verlieren.
Ein wichtiger Aspekt der Fortbildung ist für uns zudem das Schaffen von Transparenz bezüglich unserer Beratungsarbeit. Mit den zuvor aufgeführten Inhalten versuchen wir, ein (theoriegeleitetes) Grundverständnis für unsere Herangehensweise zu schaffen, wohingegen wir im nächsten Schritt anhand eines konkreten Fallbeispiels einen Beratungsprozess skizzieren. Zunächst werden die unterschiedlichen Bausteine wie die Beziehungs-, Biografie- sowie Ressourcenarbeit, die Tataufarbeitung (inklusive der Urteilsarbeit) und die Erarbeitung von Zukunftsperspektiven erwähnt und mit konkreten methodischen Beispielen erläutert. Essenziell ist uns diesbezüglich ein Verständnis dahingehend zu schaffen, dass diese Beratungsprozesse weder einer linearen noch einer zeitlichen Vorgabe folgen und stets individuell und klient*innenzentriert sind.
Autor*innen:
Mareike Zumpe, Erziehungswissenschaftlerin (M.A.) und Systemische Beraterin, arbeitet seit 2018 für Violence Prevention Network gGmbH
Frances Rohde, Arabistin und Systemische Therapeutin, seit 2016 für Violence Prevention Network gGmbH tätig
Stand: 2025