
Geschäftsstelle in Berlin; Maßnahmenumsetzung in Berlin, Brandenburg und Hessen
Die Denkzeit-Gesellschaft e. V. ist ein gemeinnütziger Verein und freier Träger der Jugendhilfe, der sich seit mehr als 20 Jahren der Entwicklung psychodynamisch-pädagogischer Programme widmet. Der Fokus liegt auf der Arbeit mit hochbelasteten, oftmals devianten und/oder delinquenten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die zielgruppenspezifisch akzentuierten, überwiegend manualisierten Denkzeit-Trainingsprogramme kommen berlin- und bundesweit in verschiedenen Arbeitsfeldern (u. a. ambulant, in Schule, in Haft) zum Einsatz. Derzeit können Klient*innen sechs verschiedenen Einzeltrainingsprogrammen zugewiesen werden (regelfinanziert über JGG, SGB VIII oder drittmittelfinanziert). Zudem wird ein primärpräventives Sozialkompetenztraining „DenkPause“ für Schulklassen angeboten. Neben der direkten Arbeit mit der Zielgruppe begleitet die Denkzeit-Gesellschaft Fachkräfte durch Fortbildungen und Supervision. Darüber hinaus setzt der Verein regelmäßig durch Drittmittel finanzierte Projekte in den Bereichen Gewalt-, Delinquenz- und Radikalisierungsprävention um.
Hintergründe und Weiterentwicklungen
Die Ursprungsmethode (heute Denkzeit-klassisch) wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Körner entwickelt, erprobt und wissenschaftlich evaluiert. Das Programm zeigte sich bezüglich der Legalbewährung der Klient*innen (Anzahl und Schwere der Straftaten in einem Prä-/Postvergleich mit einem Follow-Up von vier Jahren) als signifikant wirksam.
Eine der relevantesten Weiterentwicklungen fand ab 2011 in Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Ulrich Streeck (AGG Göttingen) und Prof. Dr. Rebecca Friedmann (Denkzeit-Gesellschaft), unterstützt von der Heigl-Stiftung und der IPU Berlin, statt. Mit dem Ziel, auch junge Menschen, die gravierende Einschränkungen in der Selbst- und Beziehungsregulierung haben, entwicklungsförderlich zu erreichen, ist in einer Symbiose aus der psychotherapeutischen „Psychoanalytisch interaktionellen Methode“ und den Konzepten der Denkzeit-Methode die Pädagogische Interaktionsdiagnostik und die Psychodynamisch Interaktionelle Pädagogik (PIP) entstanden. Inzwischen ist das darauf basierende psychodynamisch-interaktionelle Arbeiten fester Bestandteil der pädagogischen Praxis geworden und findet sich unter anderem im radikalisierungspräventiven Blickwechsel-Training wieder.
Die darauf basierenden Weiterbildungen PIP für das Einzel- und Gruppensetting werden durch das 2024 gegründete kooperierende Weiterbildungsinstitut IPIP e. V. für verschiedene Praxisfelder angeboten.
„Just X Berlin 3.0 – Prävention und Deradikalisierung im Berliner Strafvollzug und in der Bewährungshilfe“ (Verbundpartner)
Das Projekt „Just X Berlin 3.0 – Prävention und Deradikalisierung im Berliner Strafvollzug und Bewährungshilfe“ wird seit 2025 im Rahmen der neuen Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung gefördert.
Im Projektverbund mit Violence Prevention Network gGmbH und dem Anne Frank Zentrum e. V. können multimethodale Ansätze und passgenaue Maßnahmen für die Umsetzung von Radikalisierungsprävention und Distanzierungsarbeit angeboten werden. Sie umfassen die Prävention, Fortbildung, Intervention und Distanzierungsarbeit in den Berliner Haftanstalten und der Bewährungshilfe. Dabei werden unterschiedliche Phänomenbereiche abgedeckt bzw. phänomenübergreifend gearbeitet.
Im Rahmen des Projekts setzt die Denkzeit-Gesellschaft das Blickwechsel-Training sowie Fortbildungsveranstaltungen um. Das Blickwechsel-Training ist ein psychodynamisch-interaktionelles Einzeltrainingsprogramm für hochbelastete junge Menschen, die sich von demokratie- und menschenfeindlichen Ideologien und insbesondere dem emotional entlastenden Angebot radikaler oder extremistischer Gruppen angezogen fühlen. Meist wenden sie sich diesen Gruppen oder Inhalten aus inneren Gründen zu und erleben dadurch eine unmittelbare Kompensation innerer, meist entwicklungsbedingter, teils unbewusster Schwierigkeiten. Dieses beziehungsfokussierte Programm setzt nicht auf die Auseinandersetzung mit der Ideologie, Weltanschauung oder Religion, sondern explizit auf die (Fort-) Entwicklung relevanter psychosozialer Fähigkeiten. Entscheidend ist die menschenfreundliche, die subjektive Herausforderungen anerkennende und förderlich-konsequente Haltung der Blickwechsel-Trainer*innen. Eine individuelle und entwicklungsorientierte Zusammenarbeit entsteht auf Basis der Pädagogischen Interaktionsdiagnostik, die einer prozessualen Einschätzung und Fortentwicklung selbst- und beziehungsregulativer Fähigkeiten (z. B. Stabilisierung von Selbstwert, Förderung der Mentalisierungsfähigkeit, Entwicklung neuer Wege zur Affektsteuerung, Weiterentwicklung von Gewissensinstanzen, Förderung von Antizipation) dient. Fokussiert werden jeweils die Themen, die individuell für eine innere Stabilisierung und eine nachhaltige Abwendung des Gegenübers erforderlich sind.
Im Rahmen des Projekts können die Mitarbeitenden darüber hinaus Fortbildungen und Workshops rund um die Themen der Psychodynamisch Interaktionellen Pädagogik (PIP) für die Fachkräfte in den Haftanstalten und der Bewährungshilfe anbieten.
Weitere Informationen:
Website der Denkzeit-Gesellschaft e. V.: https://www.denkzeit.info/
Website der Arbeitsgemeinschaft Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse: https://www.psychoanalyse-in-gruppen.de/der-verein/
Facebook: https://www.facebook.com/Denkzeit.Gesellschaft.eV
Instagram: https://instagram.com/denkzeit_gesellschaft?igshid=YmMyMTA2M2Y
LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/denkzeit
Denkzeit-Podcast: https://denkzeit-podcast.podigee.io/
Krause, Sophie/Friedmann, Rebecca: Vorstellung des Radikalisierungspräventionsprogramms „Blickwechsel“. In: Kemmesies, Uwe/Wetzels, Peter/Austin, Beatrix/Dessecker, Axel/Grande, Edgar/Kusche, Isabel/Rieger, Diana (Hg.): MOTRA-Monitor 2020. Bundeskriminalamt – Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus. Wiesbaden 2021. S. 417-421. Unter: https://www.motra.info/motra-monitor-2020/
Friedmann, Rebecca/Plha, Winnie: „Geändert habe ich mich eigentlich nicht. Aber die Welt ist netter geworden…“. In: Ahrbeck, Bernd/Dörr, Margret/Gstach, Johannes (Hg.): Jugendkriminalität. Delinquenz verstehen, pädagogisch antworten. Jahrbuch für psychoanalytische Pädagogik 28. Gießen 2021. S. 107-124
Friedmann, Rebecca/Plha, Winnie: „In der Gruppe bin ich wer…“ Psychosoziale Aspekte von Radikalität und Extremismus. 2019. Unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/294499/in-der-gruppe-bin-ich-wer
Friedmann, Rebecca/Plha, Winnie: Auf der Suche nach Orientierung. Risikofaktoren für Radikalisierung aus psychodynamisch-pädagogischer Perspektive. In: Traxl, Bernd (Hg.): Aggression, Gewalt und Radikalisierung. Frankfurt a. M. 2017. S. 219-243