Fachtag 2024

„Haftnotizen der Zivilgesellschaft. Einblicke in Angebote der Demokratieförderung und Extremismusprävention im Strafvollzug“

am 7. März 2024 in Berlin und im Livestream

Der bundesweite Fachtag der AG Strafvollzug und Bewährungshilfe „Haftnotizen der Zivilgesellschaft. Einblicke in Angebote der Demokratieförderung und Extremismusprävention im Justizvollzug“ fand am 7. März 2024 in Berlin und im Livestream statt. Eingeladen waren Akteur*innen aus der zivilgesellschaftlichen Praxis, Fachkräfte in JVAen sowie Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe, Mitarbeitende von Ministerien und Förderprogrammen auf Bund- und Länderebene sowie der Fachkoordinierungsstellen Extremismus und Landesdemokratiezentren, Sicherheitsbehörden sowie Wissenschaftler*innen.

Über 200 Teilnehmende verfolgten am Vormittag das Podiumsgespräch mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis über den aktuellen Stand und die Zukunft der drei zentralen Aufgabenfelder zivilgesellschaftlicher Träger: Angebote für Inhaftierte, die Arbeit mit Fachkräften sowie die Organisationsberatung und Strukturentwicklung in Strafvollzug und Bewährungshilfe. Interaktive Workshops und Vorträge der AG-Mitglieder zeigten am Nachmittag Erfolge und Herausforderungen der pädagogischen Praxis auf.​​​

Eröffnung des Fachtags

 

Orhan Şenel, Violence Prevention Network gGmbH, eröffnete den Fachtag mit einer Improvisation auf dem Kanun, einer türkisch-arabischen Zither. 

 

Tina Dürr, Philipps-Universität Marburg, moderierte den Fachtag und begrüßte die Teilnehmenden in der Kuppelhalle des „silent green“ in Berlin-Wedding sowie im Livestream auf Youtube.

Video-Botschaft der Bundesfamilienministerin

 

Lisa Paus, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, begrüßte die Teilnehmenden des Fachtags in einer Video-Botschaft. Sie betonte die Gefahr, die derzeit von rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteur*innen ausgehe. Das Demokratiefördergesetz solle bewährte Präventions- und Deradikalisierungsangebote unterstützen und absichern. Die AG Strafvollzug und Bewährungshilfe habe in den letzten sechs Jahren, gefördert im Bundesprogramm „Demokratie leben!“, ein erfolgreiches bundesweites Netzwerk aufgebaut, auch mit der Unterstützung vieler Kooperationspartner*innen in den Innenministerien, den JVAen, der Bewährungshilfe und den Gerichten. Lisa Paus dankte allen Aktiven, denn sie schützten mit ihrem Engagement unsere Demokratie.

Einführung in den Fachtag

 

Franziska Kreller, Leiterin der AG Strafvollzug und Bewährungshilfe, begrüßte die Teilnehmenden des Fachtags und präsentierte einen kleinen Einblick in die Geschichte der Angebote der Demokratieförderung und Extremismusprävention im Strafvollzug:

„(…) Die AG Strafvollzug und Bewährungshilfe gibt es schon (…) seit 2017, nämlich seit eine ähnlich klingende Fördersäule im Bundesprogramm ,Demokratie leben!‘ an den Start ging. So fanden – endlich systematisch – in 16 Bundesländern gleichzeitig Projekte der Demokratieförderung und Extremismusprävention in und nach der Haft Umsetzung. Vorbei war die Zeit von föderalen Insellösungen. Planbarkeit und Absicherung, echte Perspektiven für die Projekte, aber auch für unsere Klient*innen wurden greifbar. Mit dem Entstehen einer inzwischen vielfältigen Projektlandschaft in diesem Strukturfeld Strafvollzug hat das BMFSFJ den Wunsch nach Vernetzung formuliert. Und so gründete sich die AG Strafvollzug und Bewährungshilfe unter der Koordination von Violence Prevention Network. In den Jahren haben wir uns mit unterschiedlichen Aufgaben befasst. (…) Zunächst haben wir Qualitätskriterien und Standards für unser Arbeitsfeld formuliert, haben über Definitionen, Zielgruppen, Formate, Prozesse, Rahmenbedingungen und Grenzen und Möglichkeiten unserer Arbeit diskutiert und schließlich auch veröffentlicht. Inzwischen gibt es davon sogar eine 2. Auflage. (…) Mit dem Mapping – also dem Sammeln und Auflisten – von Maßnahmen der Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug, Bewährungshilfe und Maßregelvollzug haben wir uns einer sehr kleinteiligen Aufgabe gestellt. Aber sie hatte einen besonderen Nutzen für die AG, nämlich einen Mitgliederzuwachs. Denn durch das Aufspüren (für uns) neuer themenrelevanter Projekte – außerhalb des „DL!“-Kosmos – konnten wir weitere wertvolle Perspektiven und Expertisen im Netzwerk dazugewinnen. Und nicht zuletzt möchte ich die neueste Publikation erwähnen, nämliche die ,Haftnotizen‘, die dieser Veranstaltung ihren Namen gegeben hat. Da finden Sie in aller Ausführlichkeit die Angebote unserer Mitglieder. Lebendig erzählt. In Reflexion mit Akteur*innen aus dem Strafvollzug. Als Interview. Als Alltagsbeschreibung. Die Publikation bildet unsere Berufspraxis in ihrer Vielfältigkeit ab und gibt vielleicht einen kleinen Einblick in unsere regelmäßigen AG-Diskussionen, in unsere Fortbildungen, in unsere Intervisionen: Wie schaffe ich eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung zu Klient*innen? Was sind geeignete Instrumente, um Menschen zur Selbstreflexion zu öffnen? Wie navigiere ich zwischen Nähe und Distanz? Wie gestalte ich Bildungsangebote attraktiv? Sind unsere Beratungen wirklich freiwillig in einem geschlossenen System wie dem Strafvollzug? Wie gehen wir mit Widerstand und Zwang um? Lässt sich ein diskriminierungssensibler Umgang auf Organisationsebene (der Haftanstalt) etablieren? Wie sehen tragfähige Unterstützungssysteme nach der Haft aus? Ich könnte noch viele weitere Fragestellungen formulieren, denen wir uns in den letzten Jahren gewidmet haben. Dieser Fachtag heute und unsere Publikation, die ,Haftnotizen‘, schaffen Transparenz darüber und sollen Antworten geben. (…)“

Podiumsdiskussion mit Fragen aus dem Publikum

 

Tina Dürr, Philipps-Universität Marburg, diskutierte gemeinsam mit vier Vertreter*innen der Wissenschaft und Praxis den aktuellen Stand und die Zukunft der drei zentralen Aufgabenfelder zivilgesellschaftlicher Träger: Angebote für Inhaftierte, die Arbeit mit Fachkräften sowie die Organisationsberatung und Strukturentwicklung in Strafvollzug und Bewährungshilfe.

Es sprachen:

Bill Borchert, Leiter der Jugendstrafanstalt Berlin

Prof. Dr. Jens Borchert, Hochschule Merseburg

Dr. Maruta Herding, Programmevaluation „Demokratie leben!“/Deutsches Jugendinstitut e. V.

Pascal Höhn, Sozialassistent in Ausbildung und ehemaliger Inhaftierter

 

Die Podiumsdiskussion mit anschließenden Fragen und Kommentaren aus dem Publikum ist in voller Länge auf Youtube nachzusehen: https://youtube.com/live/aA-NNvJZPHs

 

 

Workshop- und Vortragsphase I

 

Nach der Mittagspause begann die erste Phase der Workshops und Inputs mit Referent*innen der Träger aus der AG Strafvollzug und Bewährungshilfe.

 

 

„Weisung und Widerstand“

Peter Anhalt, Violence Prevention Network gGmbH

Klient*innen, die auf Weisung mit Mitarbeitenden der Distanzierungs- und Ausstiegsberatung arbeiten müssen und sollen, befinden sich fast automatisch im Widerstand. Doch auch in anderen Settings werden Klient*innen immer wieder an eigene Grenzen gestoßen, die auch Widerstand auslösen können. Der Workshop beschäftigte sich mit dem Phänomen des Widerstandes: Was bedeutet er, woher kommt er und wie lässt sich professionell mit ihm umgehen?

Zentrale Erkenntnisse des Workshops waren:

  • Widerstand und Beratung gehören zusammen.
  • Weisung und Widerstand gehören oft zusammen – nicht immer.
  • Widerstand will verstanden sein.
  • Hinter dem Widerstand warten oft lebendige, berührende, hilfreiche, humorvolle, aufwühlende Beratungsmomente.

 

 

„Politische Bildungsreihe in Haft: Die ,5-Begriffe-Übung‘ – eine Reflexionsübung in Extremsituationen“

Önder Ünal, Violence Prevention Network gGmbH

Workshops der politischen Bildung sind zentrale Maßnahmen der Demokratieförderung und Extremismusprävention im Strafvollzug. Die „5-Begriffe-Übung“ ist eine einzigartige und tiefgründige Reflexionsübung: Sie versetzt die Teilnehmenden in eine Extremsituation, um sie erfahren zu lassen, was in ihrem Leben wirklich von Bedeutung ist. Inspiriert von den Entscheidungen, die Menschen in kritischen Momenten treffen müssen, zielt diese Übung darauf ab, die Werte und Prioritäten jedes Einzelnen zu klären.

Die Mehrheit der Teilnehmenden des Workshops teilte ähnliche Bedürfnisse und Sorgen, unabhängig von ihrer individuellen Lebenssituation. Der Workshop diente als inspirierender Anstoß zur Selbstreflexion, wodurch die Teilnehmenden tiefe Einblicke in ihre eigenen Werte und Prioritäten gewannen. Auf diese Weise wurde auf die Essenz universeller Werte aufmerksam gemacht.

 

 

„Angehörigenarbeit in der Straffälligenhilfe? Na, Klar!“

Prof. Dr. Selin Arikoğlu, OYA e. V.

Angehörigen von straffällig gewordenen Menschen wird in der Gesellschaft und der Wissenschaft wenig empathisches Interesse entgegengebracht. Zudem werden sie häufig mit dem straffälligen Verhalten des*der Lebenspartners*in oder des Kindes in einen moralischen Kontext gestellt. Die Angehörigen sind den gesellschaftlichen und familiären Ansprüchen und Erwartungen ungewollt ausgesetzt.

Eine Inhaftierung bedeutet für die Angehörigen – insbesondere Kinder – einen massiven Einschnitt in ihr Leben. Sie stehen oft vor einzigartigen Herausforderungen und benötigen besondere Unterstützung, um mit der Situation umzugehen und ihr Leben weiterzuführen. Diese und weitere Handlungsempfehlungen wurden mit den Teilnehmer*innen im Workshop erörtert.

 

 

„Radikalisierungsprävention psychodynamisch. Das Innen verstehen, um im Außen zu intervenieren“ (Übertragung auch im Livestream)

Sophie Krause und Winnie Plha, Denkzeit-Gesellschaft e. V.

Die Arbeit der Denkzeit-Gesellschaft e. V. basiert auf einem psychodynamisch-pädagogischen Ansatz. Als Einstieg des Inputs wurden einige relevante Grundgedanken psychodynamischer Pädagogik praxisnah und verbunden mit der Möglichkeit, mit eigenen Erfahrungen in Kontakt zu kommen, vorgestellt. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass Menschen mehr oder weniger drastische Strategien ergreifen, um mit sich und im sozialen Kontakt zurechtzukommen. Darüber wurde auf die fachliche Überzeugung, dass Radikalisierungsphänomene weitüberwiegend der emotionalen Entlastung dienen, hingeleitet. Im Wesentlichen sind es Selbst- und Beziehungsregulationsfunktionen, die entwicklungsbedingt mehr oder weniger stark eingeschränkt sind und/oder unter Stresseinwirkung suspendiert werden. Als Praxisbeispiel wurden exemplarisch zwei, unter anderem für Radikalisierungsprozesse relevante Funktionen – die Selbstwertregulation und der Umgang mit Schuld und Schuldgefühlen –, aus der bei der Denkzeit-Gesellschaft verwendeten Pädagogischen Interaktionsdiagnostik vorgestellt und diskutiert. Diese Formen psychosozialer Einschränkungen zeigen sich durch spezifische Beziehungsdynamiken, die wir für einen förderlichen, pädagogischen Umgang erkennen, reflektieren und in passende Interventionen umwandeln müssen.

 

 

„Organisationsentwicklung als Baustein nachhaltiger Prävention“

Lena-Marie Feld und Karin Meißner, Forschungs- und Transferstelle Gesellschaftliche Integration und Migration/fitt gGmbH

Radikalisierungsrisiken innerhalb von Institutionen und Strukturen werden nicht nur durch individuelles Handeln bedingt, sondern liegen auch in strukturellen Praxen, Regelungen und Rahmungen verankert. Der Input beschäftigte sich mit der Organisation „Justizvollzugsanstalt“ und den Möglichkeiten sowie praktischen Herausforderungen, diese im Sinne der nachhaltigen Prävention weiterzuentwickeln und zu formen. Dabei kam es zu einem regen Austausch zwischen den Referentinnen und den Teilnehmenden, unter anderem wurde die Relevanz der Organisation Justizvollzugsanstalt für gelingende Präventionsstrategien und -maßnahmen aufgeworfen, andererseits wurden offen damit verbundene Schwierigkeiten und Grenzen thematisiert. Innerhalb des Diskurses kam es zu interessanten Denkanstößen sowie alternativen Handlungsansätzen, wodurch für Teilnehmende und Referentinnen neue Perspektiven eröffnet werden konnten.

Workshop- und Vortragsphase II

 

Nach der Kaffeepause fand die zweite Phase der Workshops und Inputs statt.

 

 

 

„Chance und Herausforderung: Familie als Bezugssystem inhaftierter Personen“

Solomon Caskie und Sally Hampe, Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V.

Angehörige können als Bezugssystem inhaftierter Personen eine wichtige Rolle in der Präventionsarbeit spielen. In dem Workshop wurden nach einem kurzen Warm-Up zum Kennenlernen mit Hilfe von drei Geschichten drei Perspektiven einer Inhaftierung dargelegt, nämlich die der inhaftierten Person, die der Partnerin und die des Kindes. Anhand dieser Beispiele haben sich die Teilnehmenden in Kleingruppenarbeit über mögliche Sorgen, Ängste, Gedanken und Bedürfnisse einer solchen Situation ausgetauscht.

Im  Anschluss wurden darauf bezogen Chancen und Herausforderungen für Fachkräfte diskutiert. Ein besonderer Fokus lag hierbei außerdem auf den potenziellen, positiven Auswirkungen im Bereich der Distanzierungsarbeit von bereits radikalisierten Personen sowie im Bereich der Präventionsarbeit.  Zudem wurde in der Gruppe besprochen, was bereits im Bereich Angehörigenarbeit stattfindet; daraus resultierte das Ergebnis, dass es bereits schon gute Anfänge gibt, jedoch die Netzwerkarbeit bisher noch nicht in den Fokus genommen wurde und somit die einzelnen Stellen noch sehr für sich alleine arbeiten. Es benötige eine intensive Zusammenarbeit von allen Stellen, um die Familien von inhaftierten Personen ganzheitlich mitzudenken, so der Tenor der Teilnehmenden.

 

„Erinnerungspolitische Kämpfe. Was prägt unsere Erinnerung an die NS-Geschichte?“

Dr. Katinka Meyer und Jona Schapira, Anne Frank Zentrum e. V.

Das Anne Frank Zentrum wendet selbst entwickeltes Lernmaterial zum Thema Erinnerungskultur in Haftanstalten als Angebot der historisch-politischen Bildungsarbeit an. Das Material wurde für die Bildungsarbeit im Strafvollzug konzipiert, ist in klarer Sprache verfasst und anschaulich illustriert. Thematisiert werden u. a. Nachkriegsprozesse und „vergessene“ Opfergruppen. Durch verschiedene Perspektiven und persönliche Zugänge zu Erinnerung und Aufarbeitung wird deutlich, dass Erinnerungskultur nicht gegeben, sondern gesellschaftlich situiert und veränderbar ist.

Im Workshop haben sich die Teilnehmenden mit der neuen Methodenbox des Anne Frank Zentrum – „Erinnerungskultur in Deutschland“ – beschäftigt, das im Rahmen historisch-politischer Bildungsangebote im Strafvollzug zum Einsatz kommt. Ein erstes gemeinsames Brainstorming zeigte die diversen Zugänge der Teilnehmer*innen zur Eingangsfrage des Workshops. Anhand der Methode „Zäsuren der Erinnerungskultur“ kam die Gruppe über verschiedene Themen miteinander ins Gespräch, wie etwa diverse Erinnerungsformen, „vergessene“ NS-Opfergruppen oder Kontinuitäten rassistischer und antisemitischer Gewalt bis in die Gegenwart. Die Teilnehmenden diskutierten angeregt die Fragen, wie an welche Opfergruppen erinnert wird, ob es eine angemessene Wiedergutmachung geben kann und welche Erinnerungen in ihren Familien geteilt wurden.

Die Mitarbeiterinnen des Anne Frank Zentrum gaben Einblicke in ihre bisherigen Erfahrungen in der pädagogischen Praxis im Strafvollzug. Sie zeigten auf, dass eine Erinnerungskultur nie abgeschlossen ist und von der Beteiligung möglichst vieler Perspektiven profitiert.

 

„Selbstfürsorge und -stärkung im beruflichen Kontext“

Rosa Dreyhaupt und Marvin Kraft, Violence Prevention Network gGmbH

Besonders in sozialen Berufen sehen sich Menschen einem erhöhten Risiko gegenüber, sowohl von Burnout als auch von einer sekundären Traumatisierung betroffen zu sein. Dies ergibt sich aus der teils intensiven Auseinandersetzung mit potenziell traumatischen Erlebnissen und Gewalterfahrungen, die das Klientel im Bereich der Extremismusprävention mit sich bringt. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass in diesem Berufsfeld tätige Personen lernen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und kontinuierlich auf die eigene Psychohygiene zu achten.

In dem Workshop ging es primär um einen Erfahrungsaustausch zwischen Praktiker*innen in Bezug auf das Thema Psychohygiene. Es wurde sich über das Verständnis von Selbstfürsorge ausgetauscht sowie Strategien gesammelt, diese realistisch im Alltag umzusetzen. Es wurde deutlich, dass bereits ein Bewusstsein für Belastungen im Arbeitskontext besteht. Gemeinsam konnten der Umgang damit vertieft und neue Inspirationen gesammelt werden.

 

„Erfahrungen aus der digitalen Arbeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen“

Yasmin Mergen, Drudel 11 e. V.

Welche Chancen bieten digitale Ansätze in der Straffälligenhilfe, welche Herausforderungen  bergen sie? Anhand der Erfahrungen des Projektes „CLICK!“ mit seinen Schwerpunkten Gewalt- und Rechtsextremismusprävention wurden in diesem Workshop die Möglichkeiten der digitalen Arbeit in ambulanten und stationären Settings beleuchtet.  

Im Input wurden gemeinsam mit den Teilnehmenden die Möglichkeiten und Herausforderungen diskutiert, die ein digitales pädagogisches Angebot in der Straffälligenhilfe mit sich bringt. Digitale Ansätze können (infra-)strukturelle Probleme in der Straffälligenhilfe beantworten und ergänzen die methodische Vielfalt, ohne den Anspruch zu erheben, analoge Ansätze ersetzen zu können. Enge Zusammenarbeit und beständiger Austausch der involvierten Akteur*innen sind auch in der digitalen Arbeit wichtige Gelingensfaktoren. In der Straffälligenhilfe generell und insbesondere im Strafvollzug müssen digitale Lern- und Teilhabemöglichkeiten geschaffen und genutzt werden, um mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten und gerade an den Lebenswelten junger Menschen anzuknüpfen.

 

„Angebote der Demokratiebildung und Extremismusprävention für weibliche, inter-, trans- und nicht-binäre Gefangene“

Marie Baumgarten und Jennifer Kreckel, Wertzeug e. V.

Weibliche, inter-, trans- und nicht-binäre Gefangene sind im Justizvollzug quantitativ in der Minderheit. Dennoch braucht es auch für diese Zielgruppe adäquate Angebote der Demokratiebildung und Extremismusprävention.

Inhalt des Inputs war eine Annäherung an die Bedeutung von Geschlecht für die Extremismusprävention und den Justizvollzug sowie ihre Auswirkungen auf die Praxis der Extremismusprävention. In extremistischen Weltbildern stellt die zweigeschlechtliche Geschlechterordnung ein zentrales Strukturmoment dar. Daraus ergibt sich die Frage, wie diese Binarität in der Extremismusprävention zielgruppengerecht aufgelöst werden kann. Im Austausch rund um den Input wurde deutlich, vor wie vielen Fragen und Herausforderungen der Justizvollzug bezüglich weiblicher, inter-, trans- und nicht-binärer Personen steht und wie wichtig es ist, Räume zu schaffen, in denen von verschiedenen Praxis-Erfahrungen profitiert werden kann.

 

„Beratungen im Zwangskontext“ (Übertragung auch im Livestream)

Tore Fuchs und Esther Winter, CJD e. V./Kurswechsel

Die Referent*innen stellten in ihrem Input zunächst die Herausforderungen und Chancen von pädagogischen Beratungssettings in Zwangskontexten (bei Weisungen und Auflagen im justiziellen Kontext) dar, vor allem auch in Bezug auf die Annahme, dass in der Regel zunächst keine intrinsische Motivation bei den Adressat*innen vorhanden ist und so ein Spannungsfeld zwischen Beziehungs- und Ideologiearbeit entsteht. Im Anschluss wurde das Konzept der Interventionsberatung von „Kurswechsel“ präsentiert und dargestellt, wie das Beratungsangebot mit Herausforderungen und Chancen umgeht.

Abschluss des Fachtags

 

Nach den beiden Workshop- und Vortragsphasen fanden sich noch einmal alle Teilnehmenden im Plenum ein.

Orhan Şenel, Violence Prevention Network gGmbH, eröffnete den Abschluss des Fachtags mit einer Improvisation auf dem Kanun.

Tina Dürr, Philipps-Universität Marburg, teilte mit den Anwesenden ihre Eindrücke vom Fachtag und bat nacheinander Referent*innen und Teilnehmer*innen auf die Bühne, um die wichtigsten Ergebnisse der Workshops und Vorträge zusammenzufassen.

Franziska Kreller bedankte sich bei allen am Fachtag Beteiligten und schloss den Fachtag mit den Worten:

„Wir sehen uns hoffentlich alle in der nächste Förderperiode wieder…“

 

Bildnachweise: (c) Yasmin Mergen/Drudel 11 e. V.